Das Wort zum Sonntag – 19. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Pfarrgemeinde!

Sie hatten die Nase voll! Sie wollten sich für ihre Arbeit in der Fabrik nicht mehr länger billig abspeisen lassen. “Brot und Rosen“ forderten die Textilarbeiterinnen aus Lawrence in Massachusetts und gingen dafür im Jahr 1912 auf die Straße. 20.000 Frauen kämpften bei diesem sogenannten „Brot-und-Rosen-Streik“ mit ihrem Streiklied für elementare Grundrechte: Wenn wir zusammen gehen, geht mit uns ein neuer Tag. Durch all die dunklen Küchen, und wo grau ein Werkshof lag, beginnt plötzlich die Sonne uns're arme Welt zu kosen und jeder hört uns singen: Brot und Rosen!

„Brot“ steht für gerechten Lohn und „Rosen“ für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen, für das Recht auf Zugang zu Kunst und Kultur – kurz: für alles, was das Leben lebenswert macht!

Das heutige Evangelium ruft mir diese mutigen Frauen von 1912 in Erinnerung. Wenn Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens!“, so ist das für mich als Christ gleichzeitig auch ein Auftrag, dieses Brot des Lebens für viele Menschen erfahrbar zu machen.

Ein Grund, mich zu fragen: Was ist aus den Forderungen der Textilarbeiterinnen aus Massachusetts geworden? Wie sieht's heute, 112 Jahre später aus?

Wenn wir ehrlich sind werden wir zugeben müssen, dass die Frau in unserer Gesellschaft noch lange nicht die Stellung hat, die ihr zusteht. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Chancen auf Führungspositionen – das bleibt in den meisten Bereichen weiterhin Wunschdenken. Da können wir über Frauenquoten diskutieren und unsere deutsche Rechtschreibung noch so sehr verändern: letztendlich bleibt das Augenauswischerei.

Brot und Rosen sollten schon längst eine Selbstverständlichkeit sein. Im Jahr 2024 noch Gleichberechtigung einfordern zu müssen, ist schlichtweg eine Schande für unsere Gesellschaft! Ich schreibe daher mir selbst, aber auch den Verantwortlichen in Wirtschaft, Staat und Kirchen die letzte Strophe des Streikliedes ins Stammbuch: Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein bes'rer Tag. Die Frauen die sich wehren, wehren aller Menschen Plag'. Zu Ende sei, dass kleine Leute schuften für die Großen. Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen!

Ihr Pfarrer