Das Wort zum Sonntag – 1. Fastensonntag

Liebe Pfarrgemeinde!

Die Begegnung zwischen Jesus und dem Versucher in der Wüste gleicht einem Schlagabtausch in Worten. Dabei dürfen wir uns vorstellen, dass es sich um einen inneren Dialog handelt, um ein Ringen mit der eigenen Geltungssucht, mit der Habgier, und dem Machtstreben, das wir alle aus eigener Erfahrung kennen.

Wir kennen diese Stimme, die uns verwirrt, die das Negative und Egoistische verkleidet, schönredet und verniedlicht. Es ist menschlich, auf diese Stimme immer wieder hereinzufallen und ethische Bedenken über Bord zu werfen.

Jesus setzt sich zur Wehr. Er ringt mit dieser negativen Macht, dem Bösen. Er setzt gegen die Verlockungen ein Wort aus der Heiligen Schrift: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“

Nicht das, was wir in uns hineinessen, reicht aus, um uns glücklich und gut zu machen. Wir brauchen das göttliche Wort, wir benötigen ein offenes Ohr und ein aufnahmebereites Herz, um den Hunger nach Sinn und Liebe zu stillen.

Die verführerische Stimme meldet sich zum zweiten Mal zu Wort und zeigt Jesus „alle Reiche des Erdkreises mit ihrer Pracht“, die er bekommen soll, wenn er sich dem Bösen verschreibt. Jesus wehrt die Aufforderung ab, sich zu unterwerfen und die teuflische Lüge und höllische Falschheit anzubeten.

In der dritten Runde versucht die Versuchung, mit Jesu eigenen Mitteln zum Ziel zu kommen und setzt einen Psalmvers ein: „Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten…“ und “Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Damit soll der Widerstand Jesu gebrochen werden. Jesus aber kontert diesem hinterlistigen Frontalangriff mit einem anderen Zitat: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“

Das erinnert an ein Streitgespräch im Markus-Evangelium (Mk 8,11-12), in dem die Pharisäer von Jesus ein Zeichen fordern, um ihn auf die Probe zu stellen. Er verweigert es ihnen, lässt sich nicht darauf ein, lässt sich nicht verführen. Dabei wird unmittelbar vorher von der Brotvermehrung berichtet. An Zeichen mangelt es also nicht – aber Jesus handelt nicht auf Befehl, nicht zum Beweis. Seine Zuwendung zu den bedürftigen Menschen ist Auslöser für seine Zeichen und Wunder, nicht ein Selbstzweck. Er inszeniert keinen Werbegag für seine eigene Publicity.

Jesus bleibt Sieger über die weltlichen Verlockungen und leeren Versprechungen.

„Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust“, lässt Goethe den Doktor Faust sagen und fährt fort:
„Die eine hält in derber Liebeslust
sich an die Welt mit klammernden Organen;
die andre hebt gewaltsam sich vom Dust (= Staub)
zu den Gefilden hoher Ahnen.“

Faust erliegt schließlich der Versuchung und verschreibt sich dem Teufel. Sein Ende ist damit besiegelt. Jesus weist durch sein Leben und seinen Tod in die entgegengesetzte Richtung. Sein Weg führt aus der Versuchung heraus und vom Tod zum Leben.

Sich an die organische Welt mit ihren körperlichen und sinnlichen Bedürfnissen und Süchten zu klammern, macht unfrei und erdverhaftet. Religiöse Menschen ahnen, dass es mehr als das alles geben muss. Jesus hat vorgelebt, wie aus dieser Ahnung eine Glaubens-Gewissheit wird.

Sepp Krasser